Der
Radikale Konstruktivismus in der praktischen Anwendung
Wir erzeugen unsere Welt, wir entdecken sie nicht. Die Konstruktionen, die wir von der Welt und uns errichten, beherrschen uns! Dies geht weit über den sozialen Bereich hinaus. Wir können uns durch unsere eigenen Ideen zu Sklaven und Spielverderbern machen und wir tun dies. Es geht darum, den festgefahrenen, eingeschränkten Wahrheits- und Wirklichkeitsraum zu erweitern und der Versuchung des Möglichen nachzugeben! Was ist also Wirklichkeit? Wirklichkeit ist Gemeinschaft. Dinge sind erst dann real, wenn sich eine Gemeinschaft von Menschen darauf geeinigt hat. Was in uns wahrnimmt und denkt, ist also gar nicht ein freies und objektives Ich, sondern die soziale Gemeinschaft und teils archaische oder sture Kultur, der wir angehören. Wenn sich also eine Gemeinschaft auf ein anderes Wirklichkeitssystem mit anderen Spielregeln, auf eine andere Perspektive, auf eine andere Erzählung einigen würde, dann wird auch diese wirklich und wahr. Eine wirklich unglaubliche These. Doch das glauben und behaupten nicht nur merkwürdige Autoren und Philosophen, sondern auch „anständige“ Naturwissenschaftler wie Psychologen, Pädagogen, Kybernetiker und Neurobiologen. "Unser bewusstes Wirklichkeitsmodell
ist eine niedrigdimensionale Projektion der unvorstellbar reicheren
physikalischen Wirklichkeit, die uns umgibt" Die
Fakten über irrtümliche Wahrheiten, die der Konstruktivismus
offen legt, sind dem Mainstream bisher leider unbekannt. Dies ist
bei der Wichtigkeit dieses Themas, das jeden Menschen und sein Selbstbild
fundamental betrifft, ein schwerwiegender Mangel, den es zu beheben
gilt! Den Blick meist fest in den Rückspiegel
gerichtet, übersehen wir fast vollständig die neuen Möglichkeiten
und Wege, die wir nehmen könnten. Der Radikale Konstruktivismus beweist, dass unserer kommunikativen Wirklichkeit der Kern der Wahrheit fehlt. Ist dies nicht einem ungedeckten Scheck vergleichbar, der nur deshalb gültig ist, weil wir kollektiv daran glauben? Nennt man eine solche Art von Weltbild-Inszenierung, die real ist, obwohl der Kern von Wahrheit fehlt, nicht ein Schauspiel, eine Simulation, ein Welttheater? Und wenn Realität, aus dieser interessanten Perspektive betrachtet, Schauspiel ist, wäre dann nicht im Umkehrschluss Schauspiel Realität? Theater sollte nicht nur die Vergangenheit reflektieren, sondern die Zukunft gestalten! Bestimmt nicht lediglich eine gesellschaftliche Abmachung was Ernst und was Spiel ist? Könnten wir diese Abmachung nicht alle zusammen nun bewusst und willentlich ausführen, ähnlich wie es der Schauspieler macht, wenn er frei auf der Bühne Realität inszeniert? Würden wir wie Alice im Wunderland erkennen, dass der Film den wir anstarren kein Film, sondern ein Spiegel ist? Könnten wir den Autopiloten unserer Geschichte abschalten und würden erkennen, dass unser Zug ein Lenkrad hat und dass die Gleise vor uns nur projiziert sind? Bekämen wir damit plötzlich sehr einfach die Praxis geschenkt zu einer neuen Dimension unserer Möglichkeiten?
Viele Leute haben manchmal die Wahrnehmung, als ob sie Schauspieler wären, die ihr Leben, oder Teile davon inszenieren. Der Soziologe Erving Goffmann beschreibt dieses Phänomen in dem Buch: "Wir alle spielen Theater". Wenn uns (zum Beispiel auch durch Videoaufnahmen mit Smartphones) unsere Selbstinszenierung wirklich bewusst wird und der Radikale Konstruktivismus bekannt ist, dann steht es offen, dass wir alle zu Künstlern und potenziellen Regisseuren unserer Möglichkeiten und Wünsche werden. Wirklichkeit "a la Carte" ist möglich, wenn eine ganze Gruppe, ein ganzes System mitspielt. (Hierzu passt, dass die Systemische Sozialarbeit neuerdings konstruktivistische Elemente in die Sozialarbeit integriert.) Interview mit dem Wiener Jugend- und Medienforscher Heinzlmaier: „Wir leben im Zeitalter des Bluffs (...) Zwischen 14 und 17 Jahren finden Jugendliche ihre Werte und stabilisieren ihre moralische Persönlichkeit. In einer Welt, in der keine Werte mehr gelten, die letztlich radikal konstruktivistisch ist." Das Gedankenmodell des Radikalen Konstruktivismus und die praktischen Methoden eines hochwertigen Schauspielunterrichts passen ideal zusammen und eröffnen einen völlig neuen Weg des menschlichen Handelns und der menschlichen Identitätsgestaltung und Selbstwahrnehmung. Hierzu möchten wir einen radikalen Schritt wagen und im interdisziplinären Modell-Projekt RealTheater zeigen, dass willentlich konstruierte Realität zur realen Realität werden kann. So können wir z. B. mit "Best-Case Simulationen" neue Wirklichkeiten erschaffen. „Schauspiel
ist die Fähigkeit, absolute Realität auf der Bühne
zu erzeugen“
Lee
Strasberg
(1) Gutes Theater mit konstruktivistischen Augen gesehen ist nicht nur realistisch, es ist real! Theaterpädagogik in guter Qualität ist eine Kunst, die unter bestimmten Umständen reale soziale Wirklichkeit konstruieren kann. Es gibt den Konstruktivismus erst seit wenigen Jahrzehnten, und die Anfänge der methodischen Schauspielschulung seit etwa 100 Jahren. Eine Kombination dieser beiden Bereiche gab es noch nie! Viele Möglichkeiten, die daraus entstehen, wurden noch nie praktisch erforscht. Die Zusammenfügung des (meist nur Philosophen bekannten) Radikalen Konstruktivismus und der (nur Schauspiel-Insidern bekannten) praktischen Schauspielkunst ist ein Novum. Damit könnte sogar ein Ausstieg aus der kausalen Realität und der machbare Einstieg in eine nun selbst konstruierte, dynamische und ästhetische Realität möglich sein. Der Realität ist es egal, ob sie wie bisher historisch und kausal konstruiert wird, oder ob sie kreativ und frei konstruiert wird. Beides ist möglich!
Jeder
von uns hat als Kind Schauspiel praktiziert.
Dies ist nur den meisten Erwachsenen nicht mehr bewusst. =>
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Hintergrund - RealTheater und Schauspiel Know-how => Text: Neo von Terra alias
Hans Mack (1)
2017 |